§ 27
Wahlanfechtung sowie Ausschluss und Auflösung

(1) Mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft, jeder entsprechend vertretene Berufsverband oder die Leitung der Dienststelle können binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Bei Gruppenwahl kann die Anfechtung auf die Gruppe beschränkt werden, wenn zu erwarten ist, dass das Wahlergebnis der anderen Gruppe nicht beeinflusst wird.

(3) Auf Antrag eines Viertels der Wahlberechtigten einer Gruppe, der Dienststellenleitung oder einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft oder eines entsprechend vertretenen Berufsverbandes kann das Verwaltungsgericht den Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Personalrat oder die Auflösung der Gruppenvertretung oder des Personalrates wegen grober Vernachlässigung oder grober Verletzung gesetzlicher Befugnisse oder Pflichten beschließen. Der Personalrat kann aus denselben Gründen den Ausschluss eines Mitgliedes beantragen.

(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung nehmen der Personalrat, die Gruppenvertretung oder in den Fällen des Absatzes 3 das Mitglied die Aufgaben und Befugnisse nach diesem Gesetz wahr, es sei denn, dass das Verwaltungsgericht auf Antrag einstweilig eine andere Regelung trifft.

(5) Ist die Wahl eines Personalrates mit Erfolg angefochten oder wurde einem Antrag nach Absatz 3 durch rechtskräftige Entscheidung entsprochen, hat der unverzüglich zu bildende Wahlvorstand bis zur Wiederholungswahl die Befugnisse und Pflichten des Personalrates.

(6) Wird die Wahl nur einer Gruppe für ungültig erklärt, so ist der neue Wahlvorstand aus Angehörigen dieser Gruppe zu bilden. Er entsendet bis zur Wiederholungswahl der Gruppe ein Mitglied in den Personalrat. Das Mitglied hat bis zur Wiederholungswahl die Befugnisse und Pflichten eines Personalratsmitgliedes und der Gruppenvertretung.

Vergleichbare Vorschriften: §§ 25, 28 BPersVG; §§ 19, 23 Abs. 1, 2 BetrVG

Erläuterung:

Absatz 1

1 Von der Wahlanfechtung nach Absatz 1 ist die Nichtigkeit der Wahl zu unterscheiden (siehe Rn 14). § 27 formuliert abschließend drei Anfechtungsgründe:

  • Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht (§ 13). Verstöße können z.B. die Zulassung von Nichtwahlberechtigten oder die Einreihung eines Wahlberechtigten in die falsche Gruppe sein.
  • Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit (§§ 14,15). Die Zulassung eines nicht wählbaren Bewerbers wäre ein solcher Verstoß.
  • Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren. Diesem dritten Anfechtungsgrund kommt große Bedeutung zu, weil Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl sowie bei der Feststellung des Wahlergebnisses hier zum Tragen kommen.

2 Folgende Verstöße beim Wahlverfahren können u.a. auftreten:

  • Nicht ordnungsgemäße Bestellung des Wahlvorstandes (z.B. Nichtberücksichtigung einer Gruppe)
  • Nicht ordnungsgemäße Vorbereitung der Wahl (z.B. fehlerhaftes Wahlausschreiben, fehlerhaftes Behandeln von Wahlvorschlägen)
  • Nicht ordnungsgemäße Durchführung der Wahl (z.B. fehlerhaftes Behandeln von Briefwahlstimmen)
  • Nicht ordnungsgemäße Feststellung des Wahlergebnisses (z.B. fehlerhafte Berechnung der auf einzelne Listen entfallenden Sitze).

3 Diese Verstöße gegen die genannten Vorschriften müssen wesentlich und geeignet sein, dass Wahlergebnis zu beeinflussen. Wesentlich sind alle zwingenden Vorschriften des Gesetzes und der Wahlordnung (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2007 – 6 PB 18/06 –, Rn. 11). Ist gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden, so ist die Anfechtung der Wahl begründet, es sei denn, daß festgestellt werden kann, das Wahlergebnis habe durch diesen Verstoß nicht geändert oder beeinflußt werden können (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 5 PB 5/15; BVerwG, Beschluss vom 10. August 1978 – 6 P 37/78).

4 Berechtigt nach § 27 die Wahl anzufechten sind nur

  • mindestens 3 Wahlberechtigte,
  • jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft,
  • die Leitung der Dienststelle.

Während des gesamten Wahlanfechtungsverfahrens müssen mindestens drei Wahlberechtigte als Antragssteller auftreten (BVerwG vom 8.2.82 - 6P 43.80 -, PersV 83,63). Zieht von drei Antragstellern z.B. eine Person während des laufenden Verfahrens den Antrag zurück, wird das Wahlanfechtungsverfahren damit unzulässig.

5 Vertreter einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft (entsprechend Berufsverband) sind antragsberechtigt, wenn ihnen zum Zeitpunkt der Antragsstellung ein wahlberechtigter Beschäftigter der Dienststelle angehört (BVerwG vom11.5.62- VII P 6.61-, PersV 62,211).

6 Die Leitung der Dienststelle, das heißt nicht die Person des Amtsinhabers, ist ebenfalls antragsberechtigt. Ein Wechsel in der Person ist deshalb auf das Antragsverfahren ohne Bedeutung (BVerwG vom 10.8.78- 6P 37.78-, PersV 79, 417). Scheidet z.B. während eines laufenden Anfechtungsverfahrens ein Minister aus und wird ein neuer ernannt, hat dies keine Auswirkungen auf das Verfahren.

7 Die Wahl kann nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, angefochten werden. Der Tag der Bekanntgabe selbst wird dabei nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB). Bei Bekanntgabe an unterschiedlichen Tagen, beginnt die Frist mit dem letzten Tag der Bekanntmachung. Eine nachträgliche Berichtigung des Wahlergebnisses, auch wenn diese unzulässig war, setzt eine neue Fristenberechnung in Gang.

8 Eine Wahlanfechtung richtet sich grundsätzlich gegen die Wahl des gesamten Personalrates, mit der Ausnahme nach Absatz 2, der auch eine Anfechtung beschränkt auf eine Gruppe ermöglicht.

9 Die Wahl einzelner Personalratsmitglieder kann nicht angefochten werden (BVerwG vom 7.11.75- VII P 11.74-, PersV 77, 22); hier kommt nur eine Feststellung auf Nichtwählbarkeit (§ 28 Abs.1 Nr.7) in Betracht.

10 Das Verwaltungsgericht prüft die Wahlanfechtung von Amts wegen. Es überprüft an Hand von gestellten Anträgen, durch Einsicht der Wahlunterlagen und aufgrund des Vortrags der Beteiligten. Dabei ist es aber nicht an den Vortrag der Antragsteller und die von diesen angeführten Anfechtungsgründe gebunden (BVerwG vom 13.5.98- 6 P 9.97-, PersR 98, 516). Das Gericht kann hierbei das Wahlergebnis berichtigen (z.B. bei falscher Zusammenzählung der abgegebenen Stimmen), auch wenn sich dadurch die Verteilung der Sitze auf einzelne Listen ändert. Eine falsche Verteilung der Sitze auf die Gruppen ist dagegen nicht berichtungsfähig.

11 Eine einstweilige Verfügung ist nur dann zulässig, wenn dadurch eine fehlerhafte Wahl vermieden werden kann, wobei hieran strenge Anforderungen zu stellen sind (vergl. VGH Kassel vom 12.3.84- BPV TK 682/84-, ZBR 84,192; VGH München vom 22.3.82- Nr. 18 CE 82 A.317- und VG Mainz vom 14.3. 95- 4 L 464/95. MZ-, PersR 95, 262). So können z.B. die Aufnahme eines Wahlberechtigten in die Wählerliste, Korrektur der Gruppenzugehörigkeit, eine andere Festlegung der Größe oder Sitzverteilung des Personalrates durch eine einstweilige Verfügung durchgesetzt werden.

12 Die Amtszeit des Personalrates, dessen Wahl erfolgreich angefochten wurde, endet, wenn die Entscheidung rechtskräftig wird. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung wirkt nur für die Zukunft. Das bedeutet, dass die bisher gefassten Beschlüsse und Rechtshandlungen des Personalrates wirksam bleiben (BVerwG vom 20.3.59- VII P 12.58-, PersV 59, 280). Bei einer Wahlanfechtung findet eine Wiederholungswahl statt (s. § 26 Rn.4).

13 Tritt ein Personalrat nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 während eines Wahlanfechtungsverfahrens zurück, so entgeht er nur dann den Folgen einer positiven Wahlanfechtung, wenn die durch den Rücktritt ausgelöste Neuwahl vor Rechtskraft der Wahlanfechtung abgeschlossen ist. Das Wahlanfechtungsverfahren hat sich dadurch in der Hauptsache erledigt (BVerwG vom 29.4.85- 6 PB 29.84).

14 Eine Wahl ist dann nichtig, wenn in so hohem Maße gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl verstoßen wurde, so dass selbst der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt (BVerwG vom 13.5.87- 6 P 20.85-, PersR 87, 193). Eine Nichtigkeit liegt u.a. vor, wenn gegen das Gebot der geheimen Wahl verstoßen wurde, z.B. durch Wahl des Personalrats durch offene Abstimmung in einer Personalversammlung. Jederzeit und von jedermann kann die Nichtigkeit einer Wahl (gerichtlich) geltend gemacht werden. Ist eine Personalratswahl nichtig, so sind alle bisherigen Rechtshandlungen des Personalrats unwirksam.

Absatz 2

15 Eine Wahlanfechtung kann sich auch auf eine Gruppe beschränken, wenn zu erwarten ist, dass das Wahlergebnis der übrigen Gruppen nicht beeinflusst wird (vergl. hierzu auch: BVerwG vom 23.1.59- VII P 2.58-, ZBR 59, 130). Bei einer erfolgreichen Wahlanfechtung, beschränkt auf eine Gruppe, sind nur die Gruppenvertreter neu zu wählen, der Restpersonalrat bleibt im Amt. Der Personalrat bestellt in diesem Fall den Wahlvorstand (§ 20). An der Zahl der neu zu wählenden Gruppenvertretern ändert sich nichts (BVerwG vom 13.6. 69, aaO) Eine Wiederholungswahl einer Gruppe verlängert deren ursprüngliche Amtszeit nicht.

Absatz 3

16 Auf Antrag

  • eines Viertels der wahlberechtigten Gruppenangehörigen
  • einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft (oder Berufsverband)
  • und der Dienststellenleitung

kann der Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Personalrat, die Auflösung einer Gruppenvertretung oder des Personalrates wegen grober Verletzung gesetzlicher Befugnisse oder Pflichten beim Verwaltungsgericht beantragt werden. Aus denselben Gründen kann auch der Personalrat den Ausschluss eines Mitgliedes beantragen. Will ein Viertel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen einen solchen Antrag stellen, so ist für die Berechnung der notwendigen Anzahl der Tag der Einreichung beim Verwaltungsgericht maßgebend; an diesem Tag muss die Wahl berechtigung der Antragsteller gegeben sein. Es kommt also nicht darauf an, wie groß die Zahl der Gruppenangehörigen am Wahltag war oder ob die Antragsteller am Wahltag wahlberechtigt waren. Verliert im Laufe des Verfahrens ein Antragsteller die Wahlberechtigung, so bleibt die Antragsbefugnis trotzdem erhalten (BVerwG vom 27.4.83- 6 P 17.81-, PersV 84, 322). Die vorgeschriebene Mindestzahl muss während des gesamten Verfahrens vorhanden sein.

17 Stellt eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft einen Antrag, so gilt auch hier, dass sie nicht nur zur Antragsstellung, sondern auch während des gesamten Verfahrens in der Dienststelle vertreten sein muss.

18 Der Leiter der Dienststelle kann ebenfalls einen Ausschluss- oder Auflösungsantrag stellen.

19 Durch Beschluss kann der Personalrat den Ausschluss eines Mitgliedes beantragen. Das betroffene Mitglied ist hierbei unmittelbar betroffen; es kann daher an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen (vergl. § 35 Abs. 3).

20 Nicht jeder Verstoß eines Personalratsmitgliedes oder des Gesamtgremiums rechtfertigt einen Antrag auf Ausschluss oder Auflösung. Es muss sich vielmehr um eine grobe, schwerwiegende Verfehlung handeln, die das Vertrauen in die zukünftige, ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest stark erschüttert (BVerwG vom 22.8.91- 6 P 10.90-, PersR 91,417). Für die Auflösung reicht es aus, wenn der Verstoß objektiv vorliegt.

Für einen Ausschlussantrag kommt es auch darauf an, dass dieser Verstoß schuldhaft begangen wurde (BVerwG vom 22.8.91, a.a.O.). Der Antrag kann nur in der Amtsperiode gestellt werden, in der er auch begangen wurde (OVG LSA vom 06.03.2002 – 5 L 4/01).

Ein grober Verstoß eines Personalratsmitgliedes liegt z.B. vor

  • bei mehrfach unentschuldigtem Fernbleiben bei Sitzungen
  • bei Nichtbeteiligung an Beschlüssen
  • bei Störung, Behinderung einer ordnungsgemäßen Personalratsarbeit. Die Nichtwahrnehmung der Mitbestimmungsrechte oder sonstiger Beteiligungsrechte stellt eine grobe Vernachlässigung der gesetzlichen Befugnisse da.

21 Der Ausschluss eines Personalratsmitgliedes oder die Auflösung eines Personalrates kann nur durch ein Verwaltungsgericht ausgesprochen werden. Eine einstweilige Verfügung zum Ausschluss eines Personalratsmitgliedes oder der Auflösung des Gremiums ist wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache nicht möglich.

22 Das Personalratsmitglied ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung ein vollwertiges Mitglied des Gremiums (BVerwG vom 28.4.67- VII P 11.66-, PersV 68,110). Um Nachteile für eine sachgerechte Personalratsarbeit zu vermeiden, kann in besonders schweren Fällen das Verwaltungsgericht auf Antrag der Antragssteller, bei bereits eingeleitetem Hauptsacheverfahren, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung dem betroffenen Personalratsmitglied die Führung der Amtsgeschäfte untersagen (OVG Berlin vom 21.4.75-OVG II PV 6.75-, PersV 77,67). Mit einem rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichtes

Absatz 4

23 Wird ein Antrag auf Ausschluss eines Personalratsmitgliedes, Auflösung eines Personalrates oder einer Gruppenvertretung gestellt, so bleiben bis zur rechtskräftigen Gerichtsentscheidung das Personalratsmitglied, der Personalrat oder die Gruppenvertretung im Amt. Ausnahme hiervon kann eine anders lautende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes sein (z.B. im Wege einer einstweiligen Verfügung; siehe Rn 22).

Absatz 5

24 Sind die Auflösung des Personalrates oder einer Gruppe oder der Ausschluss des einzigen Personalratmitgliedes rechtskräftig entschieden sowie die Personalratswahl erfolgreich angefochten, so ist ein Wahlvorstand unverzüglich zu bilden.

Dies geschieht entweder

  • bei Ausschluss des einzigen Mitgliedes oder der Wahlanfechtung einer Gruppe durch den Personalrat (§ 20).
  • und bei Wahlanfechtung des Personalrates durch eine Personalversammlung (§ 21) oder durch die Dienststellenleitung (§ 22). Ist der Personalrat neu zu wählen, so nimmt der Wahlvorstand zur Vermeidung einer personalratslosen Zeit bis zur Neuwahl die Befugnisse und Pflichten des Personalrates wahr

Absatz 6

25 Bei erfolgreicher Wahlanfechtung einer Gruppe nach Absatz 2 ist der Wahlvorstand nur aus Vertretern dieser Gruppe zu bilden. Aus diesem Wahlvorstand wird bis zur Neuwahl der Gruppe ein Mitglied in den Personalrat entsandt. Dieses nimmt als Gruppenvertreter Befugnisse und Pflichten eines Personalratsmitgliedes war.

 
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